Ablenkung kann das Schmerzempfinden schwächen – dieses Phänomen ist seit Langem bekannt. Wissenschaftler des Instituts für Systemische Neurowissenschaften am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE) können jetzt durch eine Studie belegen, dass dies kein rein psychologischer Vorgang ist, sondern auf einem Mechanismus basiert, der bereits auf Rückenmarksniveau einsetzt. Die Ergebnisse ihrer Arbeit wurden im renommierten Wissenschaftsjournal „Current Biology“ veröffentlicht.
In einer Studie führten gesunde Probanten zwei Schwierigkeiten einer Gedächtnisaufgabe aus, während ihnen am Arm gleichzeitig schmerzhafte Hitzereize verabreicht wurden. Die einfache Stufe der Gedächtnisaufgabe führte zu keiner nennenswerten Ablenkung vom Schmerzempfinden. Bei der schwierigen Stufe waren die Probanten von den Schmerzreizen deutlich abgelenkt und sie erlebten den Schmerz schächer.
Beide Male wurde mit Hilfe der funktionalen Magnetresonanztomografie (MRT) gemessen, wie stark das Rückenmark durch die applizierten Schmerzreize aktiviert wurde.
Das Ergebnis war verblüffend: Während der schwierigen Stufe der Gedächtnisaufgabe zeigte sich im zugehörigen Abschnitt des Rückenmarks eine signifikant geringere Aktivierung durch die Schmerzreize im Vergleich zu der leichten Stufe. „Dies lässt sich höchstwahrscheinlich dadurch erklären, dass das Gehirn während einer anspruchsvollen kognitiven Aufgabe ein System im Hirnstamm aktiviert, das schon auf Rückenmarksebene die dort eingehenden Schmerzsignale hemmt“, erklärt der Leiter der Studie, Christian Sprenger vom Institut für Systemische Neurowissenschaften (ISN) am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE). „Das geringere Schmerzempfinden während einer Ablenkung ist somit kein rein psychologisches Phänomen, sondern basiert auf einem aktiven Mechanismus, der bereits auf der frühsten Stufe der zentralen Schmerzverarbeitung einsetzt.“
Die Ergebnisse der Studie zeigen auf, welch tiefgreifenden Einfluss kognitive Faktoren auf die Schmerzverarbeitung haben können, darüber hinaus könnten sie aber auch klinische Relevanz haben. Christian Sprenger: „Die Ergebnisse legen nahe, dass therapeutische Ansätze wie beispielsweise die kognitive Verhaltenstherapie auch das Potential haben könnten, bis auf die Rückenmarksebene zu wirken und dort schmerzverbundene Krankheitsprozesse zu beeinflussen.“
Quelle: Christine Jähn, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
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