Donnerstag, 31. Mai 2012

DGE warnt vor Weichmachern in Plastik: Phthalate begünstigen Diabetes Typ 2


Bestimmte Weichmacher in Kunststoffen, sogenannte Phthalate, fördern offenbar die Entstehung eines Diabetes mellitus Typ 2. Einer aktuellen schwedischen Studie zufolge sind Menschen mit Diabetes auffällig mit Phthalaten belastet. Weichmacher stecken etwa in Verpackungen und vielen Kosmetikartikeln, aber auch in Medikamenten und Medizinprodukten wie Kathetern oder Blutbeuteln. Frühere Untersuchungen ergaben, dass bestimmte Phthalate Männer unfruchtbar machen oder zu genitalen Fehlbildungen bei Kindern führen können. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) fordert, diese Weichmacher durch unschädliche Stoffe zu ersetzen.
Phthalate werden in sehr großen Mengen industriell erzeugt und als Weichmacher für Kunststoffe wie etwa PVC verwendet. Professor Dr. med. Dr. h. c. Helmut Schatz, Endokrinologe aus Bochum und Mediensprecher der DGE: „Man weiß heute, dass diese Stoffe die Gesundheit des Menschen schädigen. Sie sind daher innerhalb der Europäischen Union (EU) etwa in Kinderspielzeug verboten.“ Für Verpackungen von Lebensmitteln wurden die Richtwerte für Phthalatgehalte inzwischen gesenkt. Aber viele Medizinprodukte wie Blut- und Infusionsbeutel, Schläuche oder Katheter enthalten noch immer Phthalate in höheren Konzentrationen. Die Stoffe lösen sich leicht aus dem Kunststoff und gelangen auf diese Weise in den menschlichen Körper. Die EU hat im März 2010 zumindest eine Kennzeichnungspflicht für Medizinprodukte, welche Di(2-ethylhexyl)-Phthalat enthalten, erlassen.

Etliche Weichmacher stören als „endokrine Disruptoren“ das menschliche Hormonsystem, indem sie zum Beispiel männliche Sexualhormone hemmen. Studien aus Deutschland und den USA fanden wiederholt hormonell aktive Phthalate im Urin der Bevölkerung. Teilweise überschritten die Konzentrationen sogar die empfohlenen Richtwerte. Zudem können sich unterschiedliche Phthalate in ihrer schädigenden Wirkung steigern. Bei Männern können sie Unfruchtbarkeit fördern und bei Neugeborenen Fehlbildungen der Geschlechtsorgane hervorrufen.

Die neue schwedische Untersuchung (1) zeigt nun einen Zusammenhang zwischen Phthalaten und Diabetes Typ 2. Die Forscher der Universität Uppsala untersuchten gut 1000 Menschen im Alter über 70 Jahren auf die Erkrankung. Etwa jeder neunte Teilnehmer litt an einem Diabetes. Bei fast allen Patienten fanden die Forscher mindestens vier von zehn Abbauprodukten von Phthalaten. Drei dieser Metabolite gingen mit einem erhöhten Diabetesrisiko einher. Die Forscher vermuten in der Fachzeitschrift „Diabetes Care“, dass die betroffenen Weichmacher den Glukosehaushalt beeinflussen. Eine kleine mexikanische Untersuchungsreihe (2) wies ebenfalls auf ein erhöhtes Diabetesrisiko durch Phthalate hin.

„Anscheinend hemmen bestimmte Phthalate die Bildung von Insulin“, erläutert Professor Schatz. „Andere begünstigen dagegen vermutlich eine Resistenz gegen das Hormon. Dieser Zusammenhang muss nun möglichst rasch durch Studien geklärt werden.“ Da bestimmte Weichmacher offenbar auch andere gesundheitliche Schäden hervorrufen können, fordert die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie, phthalathaltige Medizinprodukte durch phthalatfreie zu ersetzen.

Montag, 21. Mai 2012

Antibiotikum Azithromycin erhöht das Risiko herzbedingter Todesfälle.

Eine Kohortenstudie in New England fand heraus, dass die Einnahme von Azithromycin herzbedingte Todesfälle erhöht. Das Breitbandantibiotikum wird gerne wegen seiner kurzen Behandlungszeit verschrieben.
Auch für Erythromycin und Clarithromycin, zwei weitere Vertreter dieser Gruppe, ist in Studien ein erhöhtes Risiko auf Herzstillstand nachgewiesen worden.
540.000 Menschen im Alter von 30 bis 74 Jahren wurden in dieser Kohortenstudie erfasst. Dabei kam es bei Menschen unter Azithromycin zu einer 3-fach erhöhten Sterblichkeitsrate durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und den plötzlichen Herztod.

Quelle: Ärzteblatt

Samstag, 19. Mai 2012

Betablocker bieten keinen Schutz vor Darmkrebs.

Betablocker, egal welches Präparat, vermindern nicht das Darmkrebsrisiko. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Die Wissenschaftler befragten mehr als 3400 Darmkrebspatienten und Kontrollpersonen.
Die Studie lieferte jedoch Hinweise, dass Betablocker das Risiko für fortgeschrittene Tumoren im Darm sogar erhöhen.
Quelle: Pharmazeutische Zeitung online.

Freitag, 18. Mai 2012

Schmerzempfindung ist durch mentale Ablenkung geringer.

Ablenkung kann das Schmerzempfinden schwächen – dieses Phänomen ist seit Langem bekannt. Wissenschaftler des Instituts für Systemische Neurowissenschaften am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE) können jetzt durch eine Studie belegen, dass dies kein rein psychologischer Vorgang ist, sondern auf einem Mechanismus basiert, der bereits auf Rückenmarksniveau einsetzt. Die Ergebnisse ihrer Arbeit wurden im renommierten Wissenschaftsjournal „Current Biology“ veröffentlicht.

In einer Studie führten gesunde Probanten zwei Schwierigkeiten einer Gedächtnisaufgabe aus, während ihnen am Arm gleichzeitig schmerzhafte Hitzereize verabreicht wurden. Die einfache Stufe der Gedächtnisaufgabe führte zu keiner nennenswerten Ablenkung vom Schmerzempfinden. Bei der schwierigen Stufe waren die Probanten von den Schmerzreizen deutlich abgelenkt und sie erlebten den Schmerz schächer.

Beide Male wurde mit Hilfe der funktionalen Magnetresonanztomografie (MRT) gemessen, wie stark das Rückenmark durch die applizierten Schmerzreize aktiviert wurde.

Das Ergebnis war verblüffend: Während der schwierigen Stufe der Gedächtnisaufgabe zeigte sich im zugehörigen Abschnitt des Rückenmarks eine signifikant geringere Aktivierung durch die Schmerzreize im Vergleich zu der leichten Stufe. „Dies lässt sich höchstwahrscheinlich dadurch erklären, dass das Gehirn während einer anspruchsvollen kognitiven Aufgabe ein System im Hirnstamm aktiviert, das schon auf Rückenmarksebene die dort eingehenden Schmerzsignale hemmt“, erklärt der Leiter der Studie, Christian Sprenger vom Institut für Systemische Neurowissenschaften (ISN) am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE). „Das geringere Schmerzempfinden während einer Ablenkung ist somit kein rein psychologisches Phänomen, sondern basiert auf einem aktiven Mechanismus, der bereits auf der frühsten Stufe der zentralen Schmerzverarbeitung einsetzt.“

Die Ergebnisse der Studie zeigen auf, welch tiefgreifenden Einfluss kognitive Faktoren auf die Schmerzverarbeitung haben können, darüber hinaus könnten sie aber auch klinische Relevanz haben. Christian Sprenger: „Die Ergebnisse legen nahe, dass therapeutische Ansätze wie beispielsweise die kognitive Verhaltenstherapie auch das Potential haben könnten, bis auf die Rückenmarksebene zu wirken und dort schmerzverbundene Krankheitsprozesse zu beeinflussen.“

Quelle: Christine Jähn, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Sonntag, 13. Mai 2012

Artikel 8: Palliative Begleitung, Sterben und Tod.Die Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen


Artikel 8: Palliative Begleitung, Sterben und Tod

Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht, in Würde zu sterben.
Individuelle Sterbebegleitung
Es soll alles getan werden, um den Sterbeprozess für Sie so würdevoll und erträglich wie möglich zu gestalten. Personen, die Sie in der letzten Phase Ihres Lebens behandeln und begleiten, sollen Ihre Wünsche beachten und so weit wie möglich berücksichtigen. Dazu gehört, dass wirkungsvolle Maßnahmen und Mittel gegen Schmerzen und andere belastende Symptome angewendet werden. Wenn Sie es wünschen, soll Ihnen psychologische oder seelsorgerliche Sterbebegleitung vermittelt werden. Unabhängig davon, ob Sie zu Hause, im Krankenhaus, in einem Hospiz, Pflege- oder Seniorenwohnheim sterben, sollen seitens der Institutionen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, damit dies in einer Umgebung geschieht, die Ihren  Vorstellungen von einem würdevollen Sterben am ehesten entspricht. (Individuelle Sterbebegleitung bieten beispielsweise ambulante oder stationäre Hospizdienste an).
Zusammenarbeit mit Angehörigen
Ärztinnen, Ärzte und Pflegende sollen - Ihrem Wunsch entsprechend - Ihre Angehörigen oder sonstige Vertrauenspersonen in die Sterbebegleitung einbeziehen und diese professionell unterstützen. Ihrem Wunsch, bestimmte Personen nicht einzubeziehen, muss ebenso entsprochen werden.
Selbstbestimmung am Lebensende
Solange Sie einwilligungsfähig sind, können Sie selbst darüber bestimmen, ob und in welchem Ausmaß eine Behandlung auch angesichts des möglicherweise nahenden Todes begonnen oder fortgeführt wird bzw. ob lebensverlängernde Maßnahmen durchgeführt oder unterlassen werden sollen. Allerdings dürfen Ärztinnen und Ärzte und andere Personen keine Maßnahmen ergreifen, die gezielt Ihren Tod herbeiführen würden, auch wenn Sie danach ausdrücklich verlangen.
Vorausverfügungen
In einer Vorsorgevollmacht können Sie vorab festlegen, wer im Falle Ihrer Einwilligungsunfähigkeit für Sie entscheiden soll. So können Sie Personen Ihres Vertrauens das Recht einräumen, in Ihrem Namen zu entscheiden und zu handeln, wenn Sie dazu selbst nicht mehr in der Lage sind. Am besten ist es, schon beim Verfassen des Dokuments die gewünschten Bevollmächtigten, zum Beispiel Angehörige oder Freunde, miteinzubeziehen. Grundsätzlich sollte die Vollmacht möglichst genau festlegen, wozu sie im Einzelnen ermächtigt. In einer Patientenverfügung können Sie festlegen, wer für Sie in eine ärztliche Behandlung einwilligen oder Ihren zuvor niedergelegten Patientenwillen durchsetzen soll, wenn Sie die nötige Einwilligungsfähigkeit nicht mehr besitzen. Ihre Festlegungen binden Behandlungsteam, Bevollmächtigte und Betreuerinnen sowie Betreuer, wenn diese für die konkrete Entscheidungssituation zutreffen und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Ihr früher niedergelegter Wille nicht mehr Ihrem aktuellen Willen entspricht. Daher ist zu prüfen, ob Ihr vorab geäußerter Wille der konkret vorliegenden Situation entspricht und ob von der Fortgeltung der schriftlichen Verfügung ausgegangen werden kann. Liegt im Fall Ihrer Einwilligungsunfähigkeit keine solche fortwirkende frühere Willensbekundung von Ihnen vor oder ist sie nicht eindeutig, beurteilt sich die Zulässigkeit der ärztlichen Behandlung, falls unaufschiebbar, nach Ihrem mutmaßlichen Willen, der dann aus früher geäußerten Wünschen und der Befragung von Angehörigen, nahestehenden Personen bzw. denjenigen, die Sie bisher betreut haben, erforscht werden muss. Seit September 2009 ist die Wirksamkeit und Reichweite von Patientenverfügungen erstmals gesetzlich geregelt. Danach müssen Patientenverfügungen in schriftlicher Form vorliegen und ihre Verbindlichkeit bezieht sich auf alle Stadien einer Erkrankung. Informationen zu Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten erhalten Sie z. B. beim Bundesministerium der Justiz, bei den Gesundheitsbehörden, den Verbraucherorganisationen, den Ärztekammern, Kirchen, Patientenorganisationen oder Wohlfahrtsverbänden.
Abschiednahme,  Bestattung
Auch als Verstorbene bzw. als Verstorbener haben Sie das Recht, mit Sensibilität und Respekt behandelt zu werden. Ihre zu Lebzeiten geäußerten Wünsche sollen auch nach Ihrem Tode Berücksichtigung finden. Ihren Angehörigen, nahestehenden Personen und gegebenenfalls Ihren Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern soll ausreichend Zeit zur Abschiednahme gegeben werden. Sie haben die Möglichkeit, vorauszubestimmen, wie Sie als Verstorbene bzw. als Verstorbener behandelt werden wollen bzw. wie über Ihren Leichnam verfügt werden soll. Das betrifft beispielsweise die Aufbahrung und die Art der Bestattung.
Verfügung über den Körper
Auch über die Frage einer Organentnahme und der Verfügbarkeit Ihres Körpers zu wissenschaftlichen Zwecken können Sie vorausverfügen. Eine Organentnahme ist nur dann erlaubt, wenn Ihrerseits eine ausdrückliche Erklärung zur Organspende, z.B. in einem Organspendeausweis, vorliegt. Ist dies nicht der Fall, dürfen Organe nicht ohne die Zustimmung Ihrer Angehörigen entnommen werden.

Artikel 7: Religion, Kultur und Weltanschauung. Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen


Artikel 7: Religion, Kultur und Weltanschauung

Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht, seiner Kultur und Weltanschauung entsprechend zu leben und seine Religion auszuüben.
Berücksichtigung kultureller und religiöser Werte
Ihre kulturellen und religiösen Gewohnheiten und Bedürfnisse sollen so weit wie möglich berücksichtigt werden. So sollten Sie die an Ihrer Pflege, Betreuung und Behandlung beteiligten Personen darüber unterrichten oder unterrichten lassen, wenn Ihnen bestimmte Umgangsformen, Werte, Rituale und religiöse Handlungen wichtig sind.
Ausübung religiöser Handlungen
Wenn Sie Rituale oder religiöse Handlungen (wie z.B. Beten, Fasten, Waschungen) ausüben möchten, soll Ihnen die dazu erforderliche Hilfestellung zukommen. Bitte berücksichtigen Sie bei der Auswahl eines Dienstes oder einer stationären Einrichtung, dass religiös und weltanschaulich ausgerichtete Träger bzw. Einrichtungen sich in ihrem Leitbild an bestimmten Werten und Vorstellungen orientieren.
Hilfe bei elementaren Lebensfragen
Sie können erwarten, dass Ihre elementaren Lebensfragen und Lebensängste ernst genommen werden. Entsprechend Ihren Wünschen soll eine Geistliche/ein Geistlicher oder eine Person mit seelsorgerlichen Fähigkeiten hinzugezogen werden.
Respektierung von Weltanschauungen
Auch wenn Sie eine Weltanschauung vertreten, die von Personen, die Sie unterstützen, nicht geteilt wird, können Sie erwarten, dass Ihnen mit Respekt begegnet wird.

Artikel 6: Kommunikation, Wertschätzung und Teilhabe an der Gesellschaft. Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen


Artikel 6: Kommunikation, Wertschätzung und Teilhabe an der Gesellschaft

Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht, auf umfassende Informationen über Möglichkeiten und Angebote der Beratung, der Hilfe und Pflege sowie der Behandlung.
Beachtung von Bedürfnissen und Erfordernissen zur Verständigung
Sie können erwarten, dass bestimmte Bedürfnisse und Erfordernisse bei der Kommunikation, wie beispielsweise langsames und deutliches Sprechen oder das Gestikulieren, berücksichtigt werden. für den Fall, dass Sie Unterstützung bei der Verwendung von Hilfsmitteln (z.B. Hörgerät, Schreibhilfe) benötigen, soll Ihnen geholfen werden, diese zu beschaffen, zu benutzen und gegebenenfalls fachgerecht einzusetzen. Falls erforderlich, können und sollten Sie jemanden zur Sprachvermittlung benennen oder gegebenenfalls einen Dolmetscher hinzuziehen bzw. hinzuziehen lassen. Einige Vereine bieten entsprechende Dienste kostenlos an.
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
Sie sollen die Möglichkeit haben, sich Ihren Interessen und Fähigkeiten gemäß am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. Dazu gehört auch, dass Sie Gelegenheit haben sollen, sich Ihren Stärken und Möglichkeiten entsprechend beruflich oder ehrenamtlich zu betätigen und Bildungsangebote in Anspruch zu nehmen.
Sofern Sie allgemeines Interesse an Politik und Zeitgeschehen, Kultur oder Bildung haben, sollen Ihnen entsprechende Informationen und Angebote zugänglich gemacht werden (gegebenenfalls fallen hierfür Kosten an).
Wünsche und Vorstellungen
Um Ihren persönlichen Bedürfnissen weitgehend gerecht werden zu können, sollten Sie dem Pflege- und Betreuungspersonal Ihre Wünsche mitteilen bzw. mitteilen lassen und gegebenenfalls gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, wie Ihr Alltag, entsprechend Ihren Vorstellungen gestaltet werden kann.
Möglichkeiten in der eigenen Wohnung
Wenn Sie in Ihrer eigenen Wohnung leben und pflegebedürftig sind, können Sie sich beispielsweise durch Freiwilligen-Organisationen bzw. karitative Einrichtungen unterstützen lassen, um Unterhaltungs- oder Bildungsangebote in Anspruch zu nehmen oder die Wohnung zu anderen Zwecken zu verlassen. Darüber hinaus können Sie sich über Möglichkeiten von Kostenzuschüssen oder Kostenübernahmen der Sozialleistungsträger für entsprechende Angebote beraten lassen. Anzustreben ist, dass beteiligungsorientierte und kommunikative Angebote zukünftig weit mehr als bisher auch pflegebedürftigen Menschen, die in der eigenen Wohnung leben, leicht zugänglich gemacht werden.
Angebote in einer stationären Pflegeeinrichtung
Leben Sie in einer stationären Einrichtung, können Sie erwarten, Angebote zur Betätigung zu erhalten, die Ihren Interessen und Fähigkeiten entsprechen und Ihnen Freude bereiten. Dazu gehören beispielsweise die Beteiligung an hauswirtschaftlichen oder handwerklichen Verrichtungen, gemeinschaftlichen Aktivitäten, Festen und Veranstaltungen. Zugleich muss aber auch Ihr Wunsch, Angebote nicht in Anspruch zu nehmen, respektiert werden.
Mitwirkungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten in stationären Einrichtungen
Wenn Sie in einer stationären Einrichtung leben, haben Sie das Recht, selbst oder über entsprechende Gremien (z.B. Heimbeirat, Heimfürsprecher) auf wichtige Entscheidungen, die das Leben in der Einrichtung betreffen, Einfluss zu nehmen. Dazu gehört beispielsweise ein Mitspracherecht bei der Gestaltung der Heimmusterverträge und Heimordnungen, bei den Leistungs-, Qualitäts- und Vergütungsvereinbarungen mit den Pflegekassen und Sozialhilfeträgern, bei der Änderung der Heimentgelte, bei der Gestaltung des Heimalltags (z.B. Speiseplanaufstellung) sowie der Freizeit- und Betreuungsangebote. Ferner können Sie sich über die Bewohnervertretung an der Vorbereitung betrieblicher Entscheidungen wie zum Beispiel Instandsetzungen, bauliche Veränderungen oder Betriebszusammenschlüsse beteiligen. Auch hinsichtlich der Auswahl Ihres Mitbewohners/Ihrer Mitbewohnerin sollen Sie nach Möglichkeit Einfluss nehmen können.
Beteiligung an allgemeinen politischen Wahlen
Darüber hinaus müssen Sie die Möglichkeit haben, Ihre Mitwirkungsrechte als Bürgerin oder Bürger wahrnehmen zu können. Damit ist in erster Linie das Recht gemeint, an den allgemeinen politischen Wahlen teilzunehmen. Bei körperlichen Beeinträchtigungen haben Sie die Möglichkeit, sich bei den Wahlen von einer von Ihnen benannten Hilfsperson unterstützen zu lassen und/oder per Briefwahl zu wählen. Die betreffende Hilfsperson ist verpflichtet, Ihre Entscheidungsfreiheit zu wahren und Ihre Wahl geheim zu halten.

Artikel 5: Information, Beratung und Aufklärung. Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen


Artikel 5: Information, Beratung und Aufklärung

Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht, auf umfassende Informationen über Möglichkeiten und Angebote der Beratung, der Hilfe und Pflege sowie der Behandlung.
Umfassende Beratung – Voraussetzung für abgewogene Entscheidungen
Sie haben Anspruch auf umfassende Beratung über Möglichkeiten der Hilfe, Betreuung und Pflege sowie des Wohnens, gegebenenfalls auch über Maßnahmen der Wohnungsanpassung. Die Beratung soll darauf ausgerichtet sein, Ihnen zu ermöglichen, auch bei Pflegebedarf weiterhin in den eigenen vier Wänden zu leben, wenn Sie dies wünschen. Damit Ihre Vorstellungen der Hilfe und Pflege auch weitestgehend verwirklicht werden, sollten Sie sich nach Möglichkeit frühzeitig über die Angebote in der Region, in der Sie leben möchten, informieren und rechtzeitige Überlegungen und Planungen hinsichtlich der eigenen Wünsche, der anfallenden Kosten und der Realisierbarkeit vornehmen. Pflegekassen sowie zuständige staatliche Stellen und eingeschränkt auch Leistungserbringer sind verpflichtet – neben den von ihnen bereitgehaltenen Beratungs- und Hilfeangeboten – Auskunft über Möglichkeiten von Beratung und Hilfe zu geben. Auch private Pflegeversicherer halten Informationsangebote bereit. Darüber hinaus können Sie Ihre Entscheidungsfindung durch Probebesuche, gegebenenfalls auch durch Probewohnen (in der Regel kostenpflichtig) erleichtern.
Information, Entlastung, Anleitung und Schulung pflegender Angehöriger
Wird die Pflege teilweise oder vollständig von Ihren Angehörigen übernommen, müssen diese in alle Ihre Pflege, Betreuung und Behandlung betreffenden Belange einbezogen werden. Die Erfahrungen und Vorstellungen pflegender Angehöriger sind von den Fachkräften aufzunehmen und zu respektieren, solange Ihre Bedürfnisse dabei beachtet werden und die erforderliche Pflege gewährleistet ist.
Sind Ihre pflegenden Angehörigen zeitweise verhindert, besteht im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen Anspruch auf Ersatzpflege (z.B. durch ambulante Dienste, Kurzzeitpflege, Tages- oder Nachtpflege sowie in bestimmten Fällen auch Kostenerstattungen für Betreuungsangebote). Ebenso müssen Ihre pflegenden Angehörigen die Möglichkeit haben, Anleitung oder Schulung zu erhalten, um Sie so kompetent und sachgerecht wie möglich versorgen zu können.
Information über Vertragsinhalte, Kosten und Leistungen
Wenn Sie einen Dienst oder eine Einrichtung in Anspruch nehmen wollen, müssen Sie umfassende und verständliche Informationen über deren Leistungsangebot und die Preise erhalten. Das bedeutet, dass klar erkennbar sein muss, welche Leistungen in welcher Qualität für welches Entgelt erbracht werden, welche Kostenanteile von der Pflegekasse bzw. der privaten Pflegeversicherung übernommen werden und welche Kosten von Ihnen selbst zu tragen sind bzw. gegenüber dem Sozialhilfeträger geltend gemacht werden können. Da Heim- und Serviceverträge individuelle Regelungen beinhalten und die darin aufgeführten Vereinbarungen über Leistungen und Entgelte verbindlich sind, müssen Sie vor Abschluss oder einer Änderung   des Vertrags mit einem Dienst oder einer Einrichtung auch umfassend über die Vertragsinhalte sowie die Möglichkeit zukünftiger Vertrags- bzw. Leistungs- und Entgeltveränderungen informiert werden. Dazu gehört auch, dass man Ihnen das Leistungsspektrum mit Preisangaben, ein Vertragsmuster und gegebenenfalls eine Haus- oder Heimordnung vorab zur Verfügung stellt.
Medizinische und pflegerische Aufklärung
Zu Ihrem Recht auf Information und Aufklärung gehört, dass mit Ihnen offen, verständlich und einfühlsam über pflegerische und medizinische Diagnosen sowie Maßnahmen, mögliche Risiken und Alternativen gesprochen wird.
Sorgfältige Information über Mitwirkung an Forschungsvorhaben
Wie jede Behandlung, so setzt auch die Mitwirkung an Forschungsvorhaben Ihre Zustimmung voraus. Wenn Sie sich nicht beteiligen wollen, dürfen Ihnen keine Nachteile entstehen. Vor der Durchführung jeglicher Behandlungen, deren Wirksamkeit und Sicherheit nicht wissenschaftlich begründet ist, müssen Sie umfassend über die Durchführungsbedingungen, über Nutzen und Risiken sowie über Behandlungsalternativen aufgeklärt werden. Sollten Sie selbst nicht in der Lage sein, zu entscheiden, ist in jedem Einzelfall die Zustimmung Ihrer Bevollmächtigten/Ihres Bevollmächtigten oder Ihrer/Ihres gesetzlichen Vertreterin/Vertreters einzuholen. Diese dürfen Ihrer Mitwirkung an dem Forschungsvorhaben aber nur zustimmen, wenn zu erwarten ist, dass dies für Ihren Gesundheitszustand förderlich ist.
Einsicht in Dokumente
Sie müssen jederzeit in Ihre Pflegedokumentation und andere Sie betreffende Unterlagen Einsicht nehmen und Kopien anfertigen lassen können. Dieses Recht gilt auch für Ihre Vertreter. Ihren Angehörigen, Betreuern oder weiteren Personen steht, falls sie ermächtigt sind, ein Recht zur Einsichtnahme zu, soweit sie berechtigte Interessen geltend machen können. Ein Einsichtrecht für Kranken- und Pflegekassen besteht nur im gesetzlich zulässigen Umfang.
Hinweise, weitere Informationen
Weitere Informationen zur ärztlichen Aufklärung sowie zur Beteiligung an Forschungsvorhaben und zu Einsichtsrechten entnehmen Sie bitte der Broschüre „Patientenrechte in Deutschland“, herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz und dem Bundesministerium für Gesundheit (www.bmj.de und www.bmg.de).

Artikel 4: Pflege, Betreuung und Behandlung. Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen


Artikel 4: Pflege, Betreuung und Behandlung

Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht auf eine an seinem persönlichen Bedarf ausgerichtete, gesundheitsfördernde und qualifizierte Pflege, Betreuung und Behandlung.
Kompetente und zugewandte Pflege, Betreuung und Behandlung
Wenn Sie professionelle Hilfe benötigen, muss Ihnen eine fachlich kompetente und eine Ihrer Person zugewandte Pflege, Betreuung und Behandlung zukommen. Sie können erwarten, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend ihrer Aufgabe ausgebildet,  fortgebildet, weitergebildet oder angeleitet sind und die notwendige Qualifikation aufweisen, die Ihrem Bedarf an Unterstützung, Pflege und Behandlung entspricht. Die Methoden und Maßnahmen müssen dem aktuellen Stand medizinischer und pflegerischer Erkenntnisse entsprechen.
Zusammenarbeit der an der Pflege, Betreuung und Behandlung Beteiligte
Alle an Ihrer Pflege, Betreuung und Behandlung beteiligten Institutionen und Berufsgruppen sollen in Ihrem Interesse miteinander kommunizieren, kooperieren und ihre Leistungen eng aufeinander abstimmen. Das bedeutet zum Beispiel, dass bei einem Wechsel der Leistungserbringer eine angemessene Art der Weiterleitung von Informationen erfolgt, die Sie betreffenden und für die Pflege, Betreuung und Behandlung relevant sind. Dabei müssen die gesetzlichen Datenschutzbestimmungen beachtet werden.
Zusammenarbeit mit Angehörigen und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern
Ihre Angehörigen und sonstige Vertrauenspersonen sowie ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sollen - wenn und soweit Sie dies wünschen - in Ihre Pflege, Betreuung und Behandlung einbezogen und über Maßnahmen und Veränderungen informiert werden, die Ihre Pflege und Gesundheit betreffen. Ihr Wunsch und Ihr Einverständnis vorausgesetzt, sollen diese Personen bereits vor Vertragsabschluss mit einem Dienst oder einer Einrichtung sowie in Entscheidungen, die Ihre Behandlung betreffen, in entsprechende Beratungsgespräche einbezogen werden. Wenn Sie wünschen, ist eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit Ihren Angehörigen/Vertrauenspersonen bzw. auch ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern und dem Dienst oder der Einrichtung, die Ihre Pflege übernommen hat, anzustreben.
Individuelle, geplante Pflege
Ihre Pflege muss sofern möglich in einem gemeinsam mit Ihnen abgestimmten Prozess zielgerichtet erfolgen. Die Maßnahmen sollen Sie in erster Linie dabei unterstützen, Ihre Selbständigkeit und Mobilität zu erhalten oder wiederzugewinnen. Aufgabe der Pflege ist es ebenso, dafür Sorge zu tragen, dass Ihre Beschwerden gelindert werden und Sie sich nicht alleine gelassen fühlen müssen. Individuelle geplante Pflege setzt bei Ihren Fähigkeiten, Einschränkungen, Erfahrungen und Erwartungen an. Auf dieser Grundlage sollen konkrete Ziele gesteckt und Maßnahmen geplant werden. Sowohl die Ziele und Maßnahmen als auch die Ergebnisse müssen dokumentiert, in regelmäßigen Abständen überprüft und gegebenenfalls neu formuliert werden.
Feste Zuständigkeit
Die Pflegedienste und Einrichtungen sollen dafür sorgen, dass Sie  feste, mit Ihrer Situation vertraute und für all Ihre Belange zuständige Ansprechpartner haben. Der Wechsel, der für Sie eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist so gering wie möglich zu halten. Für den Fall, dass Sie die Pflege oder Betreuung durch eine bestimmte Person ablehnen, soll dies bei der Einsatzplanung berücksichtigt werden
Beachtung des Lebenshintergrundes und der Gewohnheiten
Wenn Sie möchten, dass bestimmte Aspekte Ihres Lebenshintergrundes oder Ihnen wichtiger Gewohnheiten (z.B. Ruhe- und Schlafenszeiten, Körperhygiene, Bekleidungsgewohnheiten) in der Pflege berücksichtigt werden, sollten Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Dienstes oder der Einrichtung über entsprechende Wünsche unterrichten bzw. unterrichten lassen. Sie können erwarten, dass diese berücksichtigt werden. Hilfe- und pflegebedürftigen Menschen, die nicht für sich selbst sprechen können, insbesondere Menschen mit Demenz, sollen Angebote zum Wiedererkennen von Gewohntem und Vertrautem gemacht werden, um zu einer Verbesserung des Wohlbefindens beizutragen.
Unterstützung von Bewegungsbedürfnissen
Ihr Bedürfnis, sich zu bewegen, muss unterstützt und gefördert werden, es sei denn, medizinische Gründe sprechen dagegen. Um Ihre Bewegungsfähigkeit zu erhalten und Einschränkungen (z.B. Bettlägerigkeit) vorzubeugen, müssen Ihre eigenen Bewegungsabläufe (z.B. Aufstehen, Gehen) unterstützt und Ihnen dazu gegebenenfalls geeignete Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden. Sie sollen ebenso Hilfe erhalten, um an die frische Luft zu kommen, sofern Sie dies wünschen und es Ihr gesundheitlicher Zustand erlaubt.
Fachgerechte Behandlung und Linderung belastender Symptome
Sowohl Ihre akuten als auch Ihre chronischen Schmerzen und belastenden Symptome wie beispielsweise Atemnot und Übelkeit müssen fachgerecht behandelt und so weit wie möglich gelindert werden. Dazu gehört, dass im Rahmen Ihrer Pflege und Behandlung Anzeichen von Schmerzen sowie belastende Symptome erkannt und adäquate Therapien koordiniert bzw. durchgeführt werden.
Bedarf- und bedürfnisgerechte Speisen- und Getränkeangebote
Sie können erwarten, dass Ihre Wünsche und Bedürfnisse beim Essen und Trinken beachtet werden. Die Speisen sollen in ausreichendem Maße, appetitanregend, abwechslungsreich, altersgerecht und gesundheitsförderlich angeboten werden. Ihre Vorlieben und Abneigungen bei Speisen und Getränken sollen weitestgehend berücksichtigt werden. Bekannte Unverträglichkeiten sind zu beachten.
Flexibles Bereitstellen der Speisen und Getränke
Ihre Mahlzeiten sollen Sie möglichst auch außerhalb der regulären Essenszeiten – Ihrem Lebensrhythmus und Appetit entsprechend – zu sich nehmen können. Zwischenmahlzeiten und Getränke sollen jederzeit zur Verfügung stehen. Die Speisen und Getränke müssen so serviert werden, dass Sie diese gut erreichen können. Besonders wenn Sie ambulant versorgt werden und bettlägerig sind, sollen die Sie betreuenden Personen darauf achten, dass entsprechende Lebensmittel in Ihre Nähe gestellt werden, damit Sie auch etwas trinken und essen können, wenn keine Hilfe vor Ort ist. Sollten Sie besonderes Besteck oder Geschirr benötigen, um selbständig essen und trinken zu können, muss Ihnen dieses bereitgestellt werden.
Hilfe beim Essen und Trinken
Sofern Sie Hilfe beim Essen und Trinken benötigen, muss gewährleistet sein, dass man Ihnen die von Ihnen gewünschte Menge, in der von Ihnen dafür benötigten Zeit darreicht.
Essen und Trinken bei Menschen mit Demenz
Besondere Aufmerksamkeit ist der Ernährung von Menschen mit Demenz beizumessen, die vielfach individuelle Anregung und Motivierung zum Essen und Trinken benötigen und häufig einen erhöhten Energiebedarf haben.
Künstliche Ernährung
Maßnahmen zur künstlichen Ernährung (Magensonden, Infusionen) dürfen nur mit Ihrer ausdrücklichen Zustimmung und nur aufgrund eines Abwägungsprozesses zwischen medizinischen, pflegerischen, ethischen und rechtlichen Aspekten erfolgen. Gegebenenfalls muss die Zustimmung einer von Ihnen bevollmächtigten Person oder der gesetzlichen Betreuerin bzw. des Betreuers eingeholt werden. Sie können erwarten, dass anerkannte ethisch-rechtliche Richtlinien zum Umgang mit Ernährungsproblemen beachtet werden.
Umgang mit Beschwerden
Sie können erwarten, dass die Institutionen bzw. deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen gegenüber Sie Kritik und Anregungen äußern, hierauf schnell und einfühlsam reagieren und auf Wunsch diese auch vertraulich behandeln. Sie müssen Ihre Beschwerden anbringen können, ohne Nachteile zu befürchten, und zeitnah Informationen darüber erhalten, was auf Grund der Beschwerde geschehen ist bzw. geschehen wird. Ihre Beschwerden können Sie auch über institutionalisierte Beschwerdestellen der Kommune, die Heimaufsichtsbehörde, die Landesärztekammer oder Ihre Kranken- bzw. Pflegekasse und private Versicherungsunternehmen anbringen.

Samstag, 12. Mai 2012

Artikel 3: Privatheit. Die Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen.

Artikel 3: Privatheit

Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht auf Wahrung und Schutz seiner Privat- und Intimsphäre.

Beachtung des Privatbereichs
Ihrem persönlichen Lebensbereich muss mit Achtsamkeit und Respekt begegnet werden. Das gilt auch, wenn Sie in Ihrem häuslichen Bereich einen ambulanten Pflegedienst in Anspruch nehmen oder in einer stationären Einrichtung leben. Dazu gehört, dass Personen, die Ihren Wohn- oder Sanitärraum betreten wollen, in der Regel klingeln oder anklopfen und - wenn Sie sich äußern können - auch Ihren Rückruf abwarten.
Möglichkeit des Rückzugs
Sie können erwarten, dass Ihrem Bedürfnis nach Ungestörtheit und vertraulichen Gesprächen entsprochen wird. Die Möglichkeit, einige Zeit allein zu sein oder in Ruhe mit Personen Ihrer Wahl an einem geschützten Ort reden zu können, muss Ihnen auch dann eingeräumt werden, wenn Sie in einer stationären Einrichtung leben und nicht über ein Einzelzimmer verfügen. Dazu gehört unter anderem die Möglichkeit, ungestört telefonieren zu können. Sofern Sie ein vertrauliches Gespräch mit einer psychologisch oder seelsorgerlich ausgebildeten Person wünschen, können Sie erwarten, dass Ihnen dieses vermittelt wird.
Verwendung privater Gegenstände in stationären Einrichtungen
Auch in einer stationären Einrichtung sollen Sie sich so weit wie möglich zuhause fühlen können. Das bedeutet zum Beispiel, dass Sie Ihre privaten Sachen (Kleinmöbel, Bilder, Wäsche) verwenden können, auch wenn Sie sich den Wohnraum mit einer weiteren Person teilen. Diesbezügliche Vereinbarungen sind zumeist Gegenstand von Heimverträgen, wie zum Beispiel die Kosten für die Pflege privater Wäsche. Wenn Sie Wertgegenstände aufbewahren wollen, können Sie Rat und Unterstützung erwarten, um diese sicher zu verwahren.
Besuche empfangen
Privatheit bedeutet auch, dass für Sie jederzeit die Möglichkeit besteht, Besuch zu empfangen. Wenn Sie sich den Wohnraum mit einer weiteren Person teilen, muss Rücksicht auf deren Ruhebedürfnis genommen werden. Sofern nötig, können Sie Pflegepersonen bitten, Besucherinnen oder Besucher, die Sie nicht empfangen möchten, abzuweisen.
Achtsamer Umgang mit Schamgefühlen
Die Achtung vor der Intimsphäre findet Ihren Ausdruck zum Beispiel darin, dass Ihre persönlichen Schamgrenzen respektiert und beachtet werden. So können Sie erwarten, dass Ihnen pflegende und behandelnde Personen mit einem größtmöglichen Maß an Einfühlsamkeit und Diskretion begegnen. Das gilt im Besonderen für den Bereich der Körperhygiene. Wenn Ihnen die Pflege oder Behandlung durch eine bestimmte Person unangenehm ist, sollten Sie dies nicht hinnehmen, sondern Ihre Bedenken direkt oder gegenüber anderen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern zum Ausdruck bringen. Sie können erwarten, dass in solchen Fällen seitens der Institutionen alle organisatorischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, damit Ihnen Personen zugeteilt werden, durch die Sie sich angemessen behandelt fühlen.
Wahrung des Briefgeheimnisses
Ihre Briefe oder elektronischen Nachrichten dürfen nicht ohne Ihre Zustimmung von Dritten in Empfang genommen, geöffnet oder gelesen werden. Wenn Sie in einer stationären Einrichtung leben, kann z.B. ein eigenes Postfach bzw. ein Briefkasten ein hohes Maß an Diskretion darstellen, da Ihre Post nicht durch mehrere Hände gegeben wird. Sollten Sie selbst Ihre Post nicht entgegen nehmen, öffnen und die Kommunikationsmöglichkeiten ohne fremde Hilfe nutzen können, bestimmen Sie, welche Person Ihres Vertrauens Sie unterstützen soll. (Dies können Sie vorab in einer Vorsorgevollmacht regeln).
Schutz der persönlichen Daten
Das Recht auf Privatheit muss seinen Niederschlag auch in einem vertraulichen Umgang mit Ihren Daten und Dokumenten finden. So dürfen die Ihre Person betreffenden Unterlagen und Daten nur mit Ihrer Zustimmung bzw. der Ihrer Vertreter und auf der Grundlage gesetzlicher Bestimmungen verarbeitet werden.
Respektierung von Sexualität, geschlechtlicher Orientierung und Lebensweise
Grundsätzlich hat jeder Mensch – unabhängig vom Alter und unabhängig vom Ausmaß des Pflege- und Hilfebedarfs – das Recht auf Sexualität, auf Respektierung seiner geschlechtlichen Identität und seiner Lebensweise. Niemand darf Sie aufgrund Ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminieren. Über die Art und Weise intimer und sexueller Beziehungen und Aktivitäten entscheiden Sie selbst, soweit dadurch die Rechte anderer Personen nicht verletzt werden. Die Möglichkeiten, intime Beziehungen auszuleben, sind allerdings abhängig von den Bedingungen und der Ausrichtung der jeweiligen Einrichtung. So kann es ratsam sein, sich auch in dieser Hinsicht über die Einrichtung vor Abschluss eines Vertrages zu informieren.
Einschränkungen
Der Anspruch auf Privatheit und die Beachtung der Intimsphäre kann  je nach Ausmaß des Hilfe- und Pflegebedarfs nicht immer vollständig gewährleistet werden. Gleichwohl muss es Ziel aller an der Betreuung, Pflege und Behandlung Beteiligter sein, die Einschränkungen so gering wie möglich zu halten.


Das Projekt wird gefördert vom:

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)
www.bmfsfj.de

Artikel 2: Körperliche und Seelische Unversehrtheit, Freiheit und Sicherheit. Die Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen.

Artikel 2: Körperliche und Seelische Unversehrtheit, Freiheit und Sicherheit

Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht, vor Gefahren für Leib und Seele geschützt zu werden.

Schutz vor körperlicher und seelischer Gewalt
Sie haben das Recht, vor körperlicher Gewalt wie beispielsweise Festhalten und Festbinden, Schlagen, Verletzen und Zufügen von Schmerzen, vor unerwünschten medizinischen Eingriffen sowie vor sexuellen Übergriffen geschützt zu werden. Niemand darf sich Ihnen gegenüber missachtend, beleidigend, bedrohend oder erniedrigend verhalten. Dazu gehört auch, dass man Sie stets mit Ihrem Namen  anzureden hat.
Schutz vor Vernachlässigungen
Auch Vernachlässigungen, wie mangelnde Sorgfalt bei der Betreuung, Pflege oder Behandlung, Unterlassung notwendiger Hilfe sowie unzureichende Aufmerksamkeit stellen Formen von Gewalt dar. Konkret heißt das beispielsweise, dass Ihnen die erforderliche Hilfe rechtzeitig zukommen muss, dass man Sie nicht unzumutbar lange warten lässt, wenn Sie Hunger oder Durst haben, aufstehen oder sich hinlegen möchten und wenn Sie Ihre Ausscheidungen verrichten müssen. Ebenso betrifft dies den Schutz vor Wundliegen und vor Versteifung der Gelenke. Auch müssen Sie gegen übermäßige Kälte und Wärme (überhitzte oder zu kühle Räume, direkte Sonneneinstrahlung, Zugluft besonders in Fluren, unangemessene Bekleidung) geschützt werden, wenn Sie dafür nicht selbst Sorge tragen können.
Schutz vor unsachgemäßer medizinischer und pflegerischer Behandlung
Sie haben das Recht, vor Schäden durch unsachgemäße medizinische und pflegerische Behandlung geschützt zu werden. Das bedeutet beispielsweise, dass Ihre Medikamente gewissenhaft und sachgemäß verordnet und verabreicht werden müssen.Ärztinnen und Ärzte haben die Pflicht, Sie verständlich und umfassend über Wirkungen, Neben- und Wechselwirkungen von Medikamenten aufzuklären. Ihre Wahrnehmungen und Hinweise sowie beobachtbare Anzeichen möglicher Neben- und Wechselwirkungen von jeglichen Behandlungen sowie pflegerischen Maßnahmen erfordern besondere Aufmerksamkeit und rechtzeitiges Reagieren durch Ärztinnen, Ärzte und Pflegende.
Schutz vor unangezeigten freiheitsbeschränkenden Maßnahmen
Grundsätzlich haben Sie das Recht, sich in Ihrer Umgebung frei zu bewegen. Wenn es Ihr gesundheitlicher Zustand erlaubt, muss gewährleistet sein, dass Sie Ihren Wohnraum jederzeit betreten, verlassen und abschließen können. Wenn Sie in einer stationären Einrichtung leben und selbständig Ihren Wohnraum verlassen können, soll Ihnen ein eigener Haustür- und Zimmerschlüssel ausgehändigt werden.
Jede Maßnahme, die Sie einschränkt, sich frei zu bewegen und der Sie nicht zustimmen, bedarf einer richterlichen Genehmigung.
Einschränkungen
Freiheitsbeschränkende Maßnahmen können in Ausnahmefällen notwendig sein, wenn Sie sich selbst oder andere Menschen gefährden und alle anderen Möglichkeiten des Schutzes ausgeschöpft sind. Freiheitsbeschränkende Maßnahmen, wie das Einschließen, das Angurten oder das Verabreichen ruhigstellender Medikamente, können eine schwerwiegende Belastung darstellen und gesundheitliche Gefahren mit sich bringen. Deshalb muss während der Dauer der Maßnahme eine kontinuierliche Beobachtung durch dafür qualifizierte Personen gewährleistet sein. Ferner ist regelmäßig zu prüfen, ob die Maßnahme noch erforderlich bzw. gerechtfertigt ist.
Hilfe gegen Gewalt
Wann immer Ihnen Gewalt mit Worten oder Taten begegnet, Sie sich vernachlässigt oder respektlos behandelt fühlen, müssen und sollten Sie dies nicht hinnehmen. In einem solchen Fall sollten Sie oder stellvertretend Ihre Vertauensperson sich hierüber beschweren. Ferner können Sie erwarten, dass Pflegende, Ärztinnen, Ärzte und Therapeuten im Rahmen Ihrer Pflege, Betreuung und Behandlung, Anzeichen von Gewalt, Misshandlungen und Missbrauch erkennen und - wenn möglich in Absprache mit Ihnen - in geeigneter Weise darauf reagieren. Das heißt zum Beispiel, dass unverzüglich ärztliche Untersuchungen zu veranlassen sind, wenn konkrete Anzeichen von Gewaltanwendungen vorliegen. Werden Spuren von Gewalt festgestellt, müssen die zuständigen Behörden (Heimaufsicht, Polizei) informiert und Maßnahmen zu Ihrem Schutz eingeleitet werden. Darüber hinaus können Sie erwarten, dass Ihnen psychologische Hilfe zur Bewältigung von Gewalterfahrungen vermittelt wird, wenn Sie dies wünschen.


Das Projekt wird gefördert vom:

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)
www.bmfsfj.de

Freitag, 11. Mai 2012

Die Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen.

Präambel und Artikel 1

Präambel

Jeder Mensch hat uneingeschränkten Anspruch auf Respektierung seiner Würde und Einzigartigkeit. Menschen, die Hilfe und Pflege benötigen, haben die gleichen Rechte wie alle anderen Menschen und dürfen in ihrer besonderen Lebenssituation in keiner Weise benachteiligt werden. Da sie sich häufig nicht selbst vertreten können, tragen Staat und Gesellschaft eine besondere Verantwortung für den Schutz der Menschenwürde hilfe- und pflegebedürftiger Menschen.
Ziel dieser Charta ist es, die Rolle und die Rechtstellung hilfe- und pflegebedürftiger Menschen zu stärken, indem grundlegende und selbstverständliche Rechte von Menschen, die der Unterstützung, Betreuung und Pflege bedürfen, zusammengefasst werden. Diese Rechte sind Ausdruck der Achtung der Menschenwürde, sie sind daher auch in zahlreichen nationalen und internationalen Rechtstexten verankert. Sie werden in den Erläuterungen zu den Artikeln im Hinblick auf zentrale Lebensbereiche und Situationen hilfe- und pflegebedürftiger Menschen kommentiert. Darüber hinaus werden in der Charta Qualitätsmerkmale und Ziele formuliert, die im Sinne guter Pflege und Betreuung anzustreben sind.
Menschen können in verschiedenen Lebensabschnitten hilfe- und pflegebedürftig sein. Die in der Charta beschriebenen Rechte gelten in ihrem Grundsatz daher für Menschen aller Altersgruppen. Um hilfe- und pflegebedürftigen Menschen ihre grundlegenden Rechte zu verdeutlichen, werden sie in den Erläuterungen zu den Artikeln unmittelbar angesprochen.
Zugleich soll die Charta Leitlinie für die Menschen und Institutionen sein, die Verantwortung in Pflege, Betreuung und Behandlung übernehmen. Sie appelliert an Pflegende, Ärztinnen, Ärzte und alle Personen, die sich von Berufs wegen oder als sozial Engagierte für das Wohl pflege- und hilfebedürftiger Menschen einsetzen. Dazu gehören auch Betreiber von ambulanten Diensten, stationären und teilstationären Einrichtungen sowie Verantwortliche in Kommunen, Kranken- und Pflegekassen, privaten Versicherungsunternehmen, Wohlfahrtsverbänden und anderen Organisationen im Gesundheits- und Sozialwesen. Sie alle sollen ihr Handeln an der Charta ausrichten. Ebenso sind die politischen Instanzen auf allen Ebenen sowie die Leistungsträger aufgerufen, die notwendigen Rahmenbedingungen zur Gewährleistung der hier beschriebenen Rechte, insbesondere auch die finanziellen Voraussetzungen, weiter zu entwickeln und sicher zu stellen.
Die staatliche und gesellschaftliche Verantwortung gegenüber hilfe- und pflegebedürftigen Menschen entbindet den Einzelnen nicht von seiner Verantwortung für eine gesunde und selbstverantwortliche Lebensführung, die wesentlich dazu beitragen kann, Hilfe- und Pflegebedürftigkeit hinauszuzögern, zu mindern oder zu überwinden.

Der Hintergrund der Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen


Die Charta geht zurück auf die Arbeiten des  „Runden Tisches Pflege“. Dieser wurde von 2003-2005 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem damaligen Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung einberufen, um die Lebenssituation hilfe- und pflegebedürftiger Menschen in Deutschland zu verbessern. Rund 200 Expertinnen und Experten aus allen Verantwortungsbereichen der Altenpflege (u.a. Länder, Kommunen, Ein richtungsträger, Wohlfahrtsverbände, private Trägerverbände, Heimaufsicht, Pflegekassen, In te res sen vertretungen der älteren Menschen, Wissenschaftler, Stiftungen) beteiligten sich.
In Arbeitsgruppen wurden bis Herbst 2005 Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der häuslichen und stationären Pflege und zum Bürokratieabbau erarbeitet und als zentrale Maßnahme eine „Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen“ formuliert. In der Charta wird konkret beschrieben, welche Rechte Menschen in Deutschland haben, die der Hilfe und Pflege bedürfen.

Das Projekt wird gefördert vom:

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)
www.bmfsfj.de
Die Charta besteht aus 8 Artikeln. Die nächsten Artikel werde ich dann posten.

Artikel 1: Selbstbestimmung und Hilfe zur Selbsthilfe


Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht auf Hilfe zur Selbsthilfe und auf Unterstützung, um ein möglichst selbstbestimmtes und selbständiges Leben führen zu können. 
Willens- und Entscheidungsfreiheit, Fürsprache und Fürsorge
Sie haben das Recht auf Beachtung Ihrer Willens- und Entscheidungsfreiheit sowie auf Fürsprache und Fürsorge. Die an der Betreuung, Pflege und Behandlung beteiligten Personen müssen Ihren Willen beachten und ihr Handeln danach ausrichten. Das gilt auch, wenn Sie sich sprachlich nicht artikulieren können und Ihren Willen beispielsweise durch Ihr Verhalten zum Ausdruck bringen. Menschen, deren geistige Fähigkeiten eingeschränkt sind, müssen ihrem Verständnis entsprechend in Entscheidungsprozesse, die ihre Person betreffen, einbezogen werden.
Wahl des Lebensortes, der Pflege und Behandlung der Gestaltung des Tagesablaufs
Sie können erwarten, dass gemeinsam mit Ihnen sowie gegebenenfalls Ihren Vertrauenspersonen und den für Ihre Betreuung, Pflege und Behandlung zuständigen Personen abgewogen wird, wie Ihre individuellen Ziele und Wünsche unter den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten verwirklicht werden können. Auch wenn Sie selbst nicht in der Lage sind, alleine Entscheidungen zu treffen oder Ihre Wünsche zu artikulieren, sollen die oben genannten Personen dafür Sorge tragen, dass in Ihrem Sinne gehandelt wird. Das betrifft beispielsweise die Wahl Ihres Lebensortes, des Pflegedienstes, der stationären Einrichtung und des Arztes sowie auch die Durchführung hauswirtschaftlicher, pflegerischer oder therapeutischer Maßnahmen und die Gestaltung Ihres Tagesablaufs. Die Behandlung durch Ihren vertrauten Haus- oder Zahnarzt sowie auch der Bezug Ihrer Medikamente über Ihre gewohnte Apotheke, sollen Ihnen auch dann möglich sein, wenn Sie in einer stationären Einrichtung leben.
Regelung finanzieller, behördlicher oder rechts-geschäftlicher Angelegenheiten
Das Recht auf Selbstbestimmung betrifft auch Ihre finanziellen, behördlichen oder rechtsgeschäftlichen Angelegenheiten (Antragstellung, Ausfüllen von Formularen oder Begleitung bei Behördengängen), für deren Regelung Sie die erforderliche Unterstützung erhalten sollen. Personen, die Sie beraten und unterstützen, müssen in Ihrem besten Interesse handeln und dürfen nichts unternehmen, was Ihnen wirtschaftlich oder rechtlich schaden würde.
Berücksichtigung von Vorausverfügungen
Für den Fall, dass Sie zu einem späteren Zeitpunkt Ihren Willen nicht mehr äußern können, haben Sie die Möglichkeit, Vorausverfügungen (Handlungsanweisungen und Vorsorgevollmachten) zu erstellen. Ihr darin geäußerter Wille muss Berücksichtigung finden. Darüber hinaus ist es ratsam, vorab zu bestimmen, welche Person als Betreuerin oder Betreuer durch das Vormundschaftsgericht bestellt werden soll, falls für Sie eine Betreuung erforderlich werden sollte (Betreuungsverfügung). (Weitere Ausführungen hierzu finden Sie unter Artikel 8).
Abwägungen zwischen Selbstbestimmungsrechten und Fürsorgepflichten
Nicht selten kommt es zu Konflikten zwischen dem Anspruch, das Recht auf Selbstbestimmung des hilfe- und pflegebedürftigen Menschen zu beachten und bestimmten Fürsorgepflichten der Pflegenden und Behandelnden (beispielhaft sind Situationen wie Nahrungsverweigerung oder Sturzgefährdung). Sollte eine solche Situation auftreten, können Sie erwarten, dass mit allen Beteiligten abwägende Gespräche geführt werden.
Einschränkungen
Die Möglichkeiten der Selbstbestimmung, die Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit haben ihre Grenzen beispielsweise dort, wo Rechte und Entfaltungsmöglichkeiten anderer berührt werden. Finanzielle sowie strukturell bedingte Rahmenbedingungen (z.B. erforderliche Eigenmittel oder regional vorhandener Mangel an Hilfeangeboten) können im Einzelfall die Wahlmöglichkeiten eingrenzen. Das Ziel, das Selbstbestimmungsrecht hilfe- und pflegebedürftiger Menschen so weit wie möglich umzusetzen, verpflichtet dennoch alle an der Betreuung, Pflege und Behandlung Beteiligten.
Hilfe zur Selbsthilfe vorbeugende und gesundheitsfördernde Maßnahmen
Sie haben ein Recht darauf, die erforderliche Unterstützung zu erhalten, um ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes Leben führen zu können. Auch wenn bereits erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen oder ein hoher Pflegebedarf bestehen, haben Sie Anspruch darauf, dass alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um einer weiteren Verschlechterung vorzubeugen bzw. um eine Verbesserung zu erzielen. Das heißt zum Beispiel, dass Sie Anspruch auf Zugang zu (fach-) ärztlicher Versorgung, zu diagnostischen Verfahren, medizinischen Behandlungen, Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen – unabhängig vom Alter oder einer Behinderung – haben. Ebenso betrifft dies den Zugang zu individueller gesundheitsfördernder Anleitung, die Ihnen unter anderem dazu verhelfen soll, weitgehend unabhängig von der Hilfe anderer zu sein. Pflegerische Maßnahmen und Hilfestellungen sowie medizinische und therapeutische Behandlungen sollen so erfolgen, dass geistige und körperliche Fähigkeiten unterstützt und gefördert werden und darauf abzielen, dass Ihre Lebensqualität, Ihr Wohlbefinden erhalten oder verbessert werden und dass Sie alltägliche Verrichtungen soweit wie möglich selbst erledigen können.