Montag, 30. Mai 2011

Schlaganfall: Therapien warten auf Umsetzung.

Neue Ergebnisse zu Entstehung, Risikofaktoren und Nachbehandlung

Lissabon (pte022/30.05.2011/13:50) - Die Schlaganfall-Forschung schafft es nur unzureichend, ihre neuen Erkenntnisse in Therapieprogramme einfließen zu lassen. Denn die Erkundung der Krankheit ist finanziell deutlich schlechter bemittelt als etwa Krebs, AIDS oder Alzheimer, obwohl die sozioökonomische Last der jährlich eine Mio. Schlaganfälle in Europa ähnlich hoch ist. Das kritisieren Experten anlässlich der Jahrestagung der Europäischen Neurologen-Gesellschaft ENShttp://www.ensinfo.com in Lissabon. Am Kongress bieten sie derzeit einen Überblick über die jüngsten Fortschritte ihres Faches.

Infektionen steigern die Gefahr

Zu den neuen Erkenntnissen gehört jene, dass chronische und akute Infektionen das Risiko eines Schlaganfalls deutlich erhöhen. Dies könnte zukünftig in Präventions-Programmen berücksichtigt werden - durch Impfungen, konsequente Behandlungen wiederkehrender Infekten oder stärkere Bekämpfung der Paradontose, die hier oft Mitschuld trägt. Doch auch umgekehrt unterdrückt ein Schlaganfall vorübergehend das Immunsystem im Ausmaß seines Schweregrades. Das erklärt, warum erst die sekundären Infektionen zum manchmal tödlichen Verhängnis für Schlaganfall-Patienten werden.

Auch bei Schlaganfällen, die trotz rechtzeitiger Öffnung verstopfter Gefäße weiter fortschreiten, gibt es neue Einblicke. Wie Würzburger Forscher im Mausversuch zeigten, kommt es zu diesen sogenannten "Reperfusionsschäden", da die Öffnung großer Gefäße etwa durch thrombolytische Medikamente Verstopfungen der kleinsten Blutbahnen nicht verhindert. Weiters entdeckten die Forscher auch Moleküle, die sowohl an der Entzündung als auch an der Verstopfung kleiner Gefäße beteiligt sind. Ihre Beeinflussung könnte in Zukunft die Bildung von Thromben verhindern oder Entzündungen bekämpfen.

Therapie: Kälte und Schlaf

Für die Schlaganfall-Therapie bestätigten spanische Forscher erstmals an Menschentests, dass bestimmte Stammzellen aus Nervenzellen und Knochenmark beschädigte Gehirnareale reparieren können. Die Methode sei sicher, durchführbar und könne bald in der Therapie die Selbstheilung unterstützen und Dauerschäden vermindern, so die Forscher. Auch die Abkühlung des Blutes auf 32 bis 34 Grad - die "Hypothermie" - könnte bald in der Versorgung nach einem ischämischen Schlaganfall angewandt werden. Studien zeigen gute Ergebnisse der Strategie, die bisher bei Herzstillstand und Sauerstoffmangel bekannt ist.

Damit das Gehirn Schäden kompensieren kann, braucht es Schlaf. Im Versuch mit Ratten, bei denen man einen Schlaganfall ausgelöst hatte, konnte der in Lugano tätige Neurologe Claudio Bassetti http://www.eoc.ch zeigen, dass Schlafentzug die Erholung des Gehirns deutlich verschlechtert. Nur den Tieren, die sich ausreichend erholen konnten, gelang eine fast vollständige Heilung der Gehirnschäden innerhalb eines Monats, während dies bei Tieren mit ständigem Schlafentzug nur zur Hälfte gelang. Inwiefern die Schlafförderung auch beim Menschen den Heilungsprozess positiv beeinflusst, muss allerdings noch erhoben werden.

Depression nach dem Schlag

Viel zu wenig Beachtung findet bisher der psychische Zustand von Patienten nach einem Schlaganfall. Jeder Dritte leidet unter Angstzuständen oder Depressionen, wobei das Risiko bei schwerer Behinderung und fehlender sozialer Unterstützung höher ist. Während Ängste mit der Zeit wieder zurückgehen, bleiben die Depressionen bestehen, berichtet Jennifer H. White von der University of Newcastle http://www.newcastle.edu.au . "Rehabilitation darf sich daher nicht länger allein auf die körperliche Wiederherstellung konzentrieren, sondern muss auch der Seele mehr Aufmerksamkeit schenken", so die Expertin.

Quelle: pressetext.redaktion, Johannes Pernsteiner, www.pressetext.com

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