Donnerstag, 18. Oktober 2012

Antibiotika in der Lebensmittelkette

Vom 8. bis 10. Oktober 2012 fand am Max Rubner-Institut (MRI) in Karlsruhe die internationale Max Rubner Conference zu Antibiotika in der Lebensmittelkette statt. Die wissenschaftliche Organisation hatte das Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide des Max Rubner-Instituts am Standort Detmold. Wissenschaftler von Finnland bis Israel, von Norwegen bis Italien kamen nach Karlsruhe, um den aktuellen Stand auf diesem gesellschaftlich wichtigen Forschungsfeld zu referieren.

Der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung sei aus mehreren Gründen problematisch, führte Prof. Jörg Hartung aus: Neben der Resistenzbildung, werden mit der Stallabluft Antibiotika, aber auch resistente Mikroorganismen bis zu mehreren hundert Metern in die Umgebung verbracht. Zudem finden sich in Fleisch, Milch und Eiern von Betrieben mit intensivem Antibiotika-Einsatz Rückstände und Abbauprodukte dieser Substanzen. Derzeit würden, so Hartung, von den rund 8.000 bekannten antibiotisch wirksamen Substanzen geschätzte 80 Wirkstoffe in rund 2.700 Präparaten für Mensch und Tier genutzt. In der Tierhaltung überwiegen die Tetrazykline, gefolgt von Beta-Lactamen und der Gruppe der Sulfonamide und Trimethoprim. Insgesamt wurden laut Bericht des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) im Jahr 2011 rund 1.734 Tonnen von Antibiotika von der pharmazeutischen Industrie an Veterinäre geliefert.

Das Problem der Resistenzbildung von Bakterien gegen in der Medizin eingesetzte Antibiotika wird von Experten schon seit vielen Jahren mit Sorge betrachtet. Als erstes Land verbot Schweden 1986 den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zur Wachstumsförderung. 2006, zwanzig Jahre später, wurde dieser Einsatz der lebensrettenden Substanzen europaweit verboten. China hätte ebenfalls bekanntgegeben, Antibiotika als Wachstumsförderer ab 2011 zu bannen, so Atte von Wright, in den USA seien sie derzeit noch erlaubt. Wobei es in der Praxis mitunter schwierig ist, zwischen einer Gesundheitsmaßnahme im Bestand und anderen Einsatzzwecken zu unterscheiden. „Immer wenn Antibiotika zur Wachstumsförderung verboten werden, wächst die klinische Anwendung bei Tieren gewaltig. Wobei der zeitgleiche Zuwachs in der Humanmedizin nur minimal ist“, gab Hartung einen Hinweis auf den Kern des Problems.

Nicht nur für die Gesundheit des Menschen sind Antibiotika in der Lebensmittelkette ein Problem. Antibiotika-Rückstände in der Milch verhindern auch die Herstellung von bestimmten Milchprodukten. Ein Grund, warum man sich in diesem Industriezweig schon seit vielen Jahren mit der Entwicklung von Schnellmethoden zum Nachweis der Hemmstoffe befasst. 


Der aktuelle Status des Antibiotika-Einsatzes in den einzelnen Lebensmittelgruppen war Thema der dritten Session der Max Rubner Conference 2012. Wie Dr. Harrie van den Bijgaart vom Labor Qlip N.V. in Zutphen in den Niederlanden berichtete, werden etwa 43 Prozent der angewendeten Antibiotika beim Trockenstellen von Kühen eingesetzt. Ein weiterer großer Teil kommt bei der Behandlung von Entzündungen des Euters zum Einsatz. Da sich die Niederlande zum Ziel gesetzt haben, den Einsatz von Antibiotika bis 2013 um die Hälfte zu reduzieren, werde auch mit alternativen Verfahren experimentiert. Dazu gehört die Anwendung von homöopathischen Produkten, aber auch die Impfung gegen Mastitis.

Trotz des häufigen Einsatzes von Antibiotika in der Tierhaltung, sei die Zahl der gefundenen positiven Proben im Fleisch und in Fleischprodukten gering, stellte Prof. Gerd Hamscher von der Universität Gießen fest und zitierte aus dem Nationalen Rückstandskontrollplan 2010 des BVL.: Von 263.970 Proben waren 664 positiv – wobei zwei von drei Proben Rückstände von Tetrazyklinen enthalten hätten. Interessanter schien ihm die Situation beim Lebensmittel Honig. Hier gibt es keine Zulassung für den Einsatz von Antibiotika. Dennoch würden mehr positive Proben beim Honig ermittelt als beim Fleisch. Dies sei besonders problematisch, so Hamscher, weil Antibiotika im Honig keinem Metabolismus unterliegen, sondern direkt im Honig aufzufinden ist. Grundsätzlich vertrat Hamscher die Ansicht, dass es dringend nötig sei, den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung wo möglich zu reduzieren. „Irgendwo gehen die Substanzen hin, viele Bestandteile sind sehr persistent. Meistens landet ein Cocktail daraus im Boden, in den Pflanzen und im Staub.“ Diese Auffassung bestätigten auch die Ergebnisse der Untersuchungen von Dr. Christine Schwake-Anduschus, Max Rubner-Institut, für Getreide und Prof. Manfred Grote, Universität Paderborn, für Gemüse. In der Wachstumskammer wie auch unter realen Bedingungen in der Umwelt konnte nachgewiesen werden, dass bestimmte Antibiotika und ihre Abbauprodukte, darunter Chlortetrazyklin von den Wurzeln der Pflanzen aufgenommen werden und bei Getreide bis in die Körner, bei Lauch, Salat oder Kohl bis in die Blätter transportiert werden. Dabei lag die nachgewiesene Menge der Substanzen beim Getreide bei maximal fünf Mikrogramm pro Kilogramm, beim Gemüse reichten die Konzentrationen vom Mikrogramm- bis zum Milligramm-Bereich pro Kilogramm Frischmasse.

Mehr als 100 von Bakterien verursachte Krankheiten kommen bei Fischen vor. Auch hier werden Antibiotika zur Bekämpfung verwendet.

Insgesamt gibt es in der aktuellen Situation keinen Grund zur Beruhigung. Prof. Herbert Hächler von der Universität Zürich verwies in seinem Vortrag auf zahlreiche bekannte Studien zu Ausbrüchen von Krankenhausinfektionen auf Grund von resistenten Keimen. Gerade unter den hygienischen Bedingungen der Krankenhäuser sei der Druck auf die Bakterien, Resistenzen auszubilden besonders hoch. Hier droht nach seiner Einschätzung eine große Gefahr, insbesondere auch durch ESBL-Bakterien, die gegen Beta-Laktam-Antibiotika resistent sind. „Das ist angesichts der Tatsache, dass weltweit zwei Drittel der therapeutisch eingesetzten Bakterien bei Menschen zur Gruppe der Beta-Laktame gehören, besonders Besorgnis erregend“, so Hächler.

Inwieweit die in der Nahrungsmittelherstellung eingesetzten Bakterien, wie Probiotika, Schutzkulturen oder Fermentationsbakterien und die Herstellungsbedingungen bei der Übertragung von Resistenzen eine Rolle spielen, wird derzeit untersucht. Dass Bakterien mit Resistenzgenen sowohl bei den Herstellungsprozessen als auch auf Produkten wie Schmierekäse auftreten, konnten Prof. Geert Huys von der Ghent Universität in Belgien und Dr. Wilhelm Bockelmann vom Max Rubner-Institut bestätigen. Die Frage der Relevanz für die menschliche Gesundheit ist dagegen noch offen. Klar ist jedoch, dass von der EFSA gefordert wird, dass Bakterienstämme, die gezielt in der Lebensmittelherstellung oder als Probiotika eingesetzt werden, keine übertragbaren Antibiotikaresistenzen besitzen dürfen. 

Quelle: idw-online

Keine Kommentare: