Sonntag, 13. Mai 2012

Artikel 4: Pflege, Betreuung und Behandlung. Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen


Artikel 4: Pflege, Betreuung und Behandlung

Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht auf eine an seinem persönlichen Bedarf ausgerichtete, gesundheitsfördernde und qualifizierte Pflege, Betreuung und Behandlung.
Kompetente und zugewandte Pflege, Betreuung und Behandlung
Wenn Sie professionelle Hilfe benötigen, muss Ihnen eine fachlich kompetente und eine Ihrer Person zugewandte Pflege, Betreuung und Behandlung zukommen. Sie können erwarten, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend ihrer Aufgabe ausgebildet,  fortgebildet, weitergebildet oder angeleitet sind und die notwendige Qualifikation aufweisen, die Ihrem Bedarf an Unterstützung, Pflege und Behandlung entspricht. Die Methoden und Maßnahmen müssen dem aktuellen Stand medizinischer und pflegerischer Erkenntnisse entsprechen.
Zusammenarbeit der an der Pflege, Betreuung und Behandlung Beteiligte
Alle an Ihrer Pflege, Betreuung und Behandlung beteiligten Institutionen und Berufsgruppen sollen in Ihrem Interesse miteinander kommunizieren, kooperieren und ihre Leistungen eng aufeinander abstimmen. Das bedeutet zum Beispiel, dass bei einem Wechsel der Leistungserbringer eine angemessene Art der Weiterleitung von Informationen erfolgt, die Sie betreffenden und für die Pflege, Betreuung und Behandlung relevant sind. Dabei müssen die gesetzlichen Datenschutzbestimmungen beachtet werden.
Zusammenarbeit mit Angehörigen und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern
Ihre Angehörigen und sonstige Vertrauenspersonen sowie ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sollen - wenn und soweit Sie dies wünschen - in Ihre Pflege, Betreuung und Behandlung einbezogen und über Maßnahmen und Veränderungen informiert werden, die Ihre Pflege und Gesundheit betreffen. Ihr Wunsch und Ihr Einverständnis vorausgesetzt, sollen diese Personen bereits vor Vertragsabschluss mit einem Dienst oder einer Einrichtung sowie in Entscheidungen, die Ihre Behandlung betreffen, in entsprechende Beratungsgespräche einbezogen werden. Wenn Sie wünschen, ist eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit Ihren Angehörigen/Vertrauenspersonen bzw. auch ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern und dem Dienst oder der Einrichtung, die Ihre Pflege übernommen hat, anzustreben.
Individuelle, geplante Pflege
Ihre Pflege muss sofern möglich in einem gemeinsam mit Ihnen abgestimmten Prozess zielgerichtet erfolgen. Die Maßnahmen sollen Sie in erster Linie dabei unterstützen, Ihre Selbständigkeit und Mobilität zu erhalten oder wiederzugewinnen. Aufgabe der Pflege ist es ebenso, dafür Sorge zu tragen, dass Ihre Beschwerden gelindert werden und Sie sich nicht alleine gelassen fühlen müssen. Individuelle geplante Pflege setzt bei Ihren Fähigkeiten, Einschränkungen, Erfahrungen und Erwartungen an. Auf dieser Grundlage sollen konkrete Ziele gesteckt und Maßnahmen geplant werden. Sowohl die Ziele und Maßnahmen als auch die Ergebnisse müssen dokumentiert, in regelmäßigen Abständen überprüft und gegebenenfalls neu formuliert werden.
Feste Zuständigkeit
Die Pflegedienste und Einrichtungen sollen dafür sorgen, dass Sie  feste, mit Ihrer Situation vertraute und für all Ihre Belange zuständige Ansprechpartner haben. Der Wechsel, der für Sie eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist so gering wie möglich zu halten. Für den Fall, dass Sie die Pflege oder Betreuung durch eine bestimmte Person ablehnen, soll dies bei der Einsatzplanung berücksichtigt werden
Beachtung des Lebenshintergrundes und der Gewohnheiten
Wenn Sie möchten, dass bestimmte Aspekte Ihres Lebenshintergrundes oder Ihnen wichtiger Gewohnheiten (z.B. Ruhe- und Schlafenszeiten, Körperhygiene, Bekleidungsgewohnheiten) in der Pflege berücksichtigt werden, sollten Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Dienstes oder der Einrichtung über entsprechende Wünsche unterrichten bzw. unterrichten lassen. Sie können erwarten, dass diese berücksichtigt werden. Hilfe- und pflegebedürftigen Menschen, die nicht für sich selbst sprechen können, insbesondere Menschen mit Demenz, sollen Angebote zum Wiedererkennen von Gewohntem und Vertrautem gemacht werden, um zu einer Verbesserung des Wohlbefindens beizutragen.
Unterstützung von Bewegungsbedürfnissen
Ihr Bedürfnis, sich zu bewegen, muss unterstützt und gefördert werden, es sei denn, medizinische Gründe sprechen dagegen. Um Ihre Bewegungsfähigkeit zu erhalten und Einschränkungen (z.B. Bettlägerigkeit) vorzubeugen, müssen Ihre eigenen Bewegungsabläufe (z.B. Aufstehen, Gehen) unterstützt und Ihnen dazu gegebenenfalls geeignete Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden. Sie sollen ebenso Hilfe erhalten, um an die frische Luft zu kommen, sofern Sie dies wünschen und es Ihr gesundheitlicher Zustand erlaubt.
Fachgerechte Behandlung und Linderung belastender Symptome
Sowohl Ihre akuten als auch Ihre chronischen Schmerzen und belastenden Symptome wie beispielsweise Atemnot und Übelkeit müssen fachgerecht behandelt und so weit wie möglich gelindert werden. Dazu gehört, dass im Rahmen Ihrer Pflege und Behandlung Anzeichen von Schmerzen sowie belastende Symptome erkannt und adäquate Therapien koordiniert bzw. durchgeführt werden.
Bedarf- und bedürfnisgerechte Speisen- und Getränkeangebote
Sie können erwarten, dass Ihre Wünsche und Bedürfnisse beim Essen und Trinken beachtet werden. Die Speisen sollen in ausreichendem Maße, appetitanregend, abwechslungsreich, altersgerecht und gesundheitsförderlich angeboten werden. Ihre Vorlieben und Abneigungen bei Speisen und Getränken sollen weitestgehend berücksichtigt werden. Bekannte Unverträglichkeiten sind zu beachten.
Flexibles Bereitstellen der Speisen und Getränke
Ihre Mahlzeiten sollen Sie möglichst auch außerhalb der regulären Essenszeiten – Ihrem Lebensrhythmus und Appetit entsprechend – zu sich nehmen können. Zwischenmahlzeiten und Getränke sollen jederzeit zur Verfügung stehen. Die Speisen und Getränke müssen so serviert werden, dass Sie diese gut erreichen können. Besonders wenn Sie ambulant versorgt werden und bettlägerig sind, sollen die Sie betreuenden Personen darauf achten, dass entsprechende Lebensmittel in Ihre Nähe gestellt werden, damit Sie auch etwas trinken und essen können, wenn keine Hilfe vor Ort ist. Sollten Sie besonderes Besteck oder Geschirr benötigen, um selbständig essen und trinken zu können, muss Ihnen dieses bereitgestellt werden.
Hilfe beim Essen und Trinken
Sofern Sie Hilfe beim Essen und Trinken benötigen, muss gewährleistet sein, dass man Ihnen die von Ihnen gewünschte Menge, in der von Ihnen dafür benötigten Zeit darreicht.
Essen und Trinken bei Menschen mit Demenz
Besondere Aufmerksamkeit ist der Ernährung von Menschen mit Demenz beizumessen, die vielfach individuelle Anregung und Motivierung zum Essen und Trinken benötigen und häufig einen erhöhten Energiebedarf haben.
Künstliche Ernährung
Maßnahmen zur künstlichen Ernährung (Magensonden, Infusionen) dürfen nur mit Ihrer ausdrücklichen Zustimmung und nur aufgrund eines Abwägungsprozesses zwischen medizinischen, pflegerischen, ethischen und rechtlichen Aspekten erfolgen. Gegebenenfalls muss die Zustimmung einer von Ihnen bevollmächtigten Person oder der gesetzlichen Betreuerin bzw. des Betreuers eingeholt werden. Sie können erwarten, dass anerkannte ethisch-rechtliche Richtlinien zum Umgang mit Ernährungsproblemen beachtet werden.
Umgang mit Beschwerden
Sie können erwarten, dass die Institutionen bzw. deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen gegenüber Sie Kritik und Anregungen äußern, hierauf schnell und einfühlsam reagieren und auf Wunsch diese auch vertraulich behandeln. Sie müssen Ihre Beschwerden anbringen können, ohne Nachteile zu befürchten, und zeitnah Informationen darüber erhalten, was auf Grund der Beschwerde geschehen ist bzw. geschehen wird. Ihre Beschwerden können Sie auch über institutionalisierte Beschwerdestellen der Kommune, die Heimaufsichtsbehörde, die Landesärztekammer oder Ihre Kranken- bzw. Pflegekasse und private Versicherungsunternehmen anbringen.

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