Samstag, 12. Mai 2012

Artikel 3: Privatheit. Die Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen.

Artikel 3: Privatheit

Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht auf Wahrung und Schutz seiner Privat- und Intimsphäre.

Beachtung des Privatbereichs
Ihrem persönlichen Lebensbereich muss mit Achtsamkeit und Respekt begegnet werden. Das gilt auch, wenn Sie in Ihrem häuslichen Bereich einen ambulanten Pflegedienst in Anspruch nehmen oder in einer stationären Einrichtung leben. Dazu gehört, dass Personen, die Ihren Wohn- oder Sanitärraum betreten wollen, in der Regel klingeln oder anklopfen und - wenn Sie sich äußern können - auch Ihren Rückruf abwarten.
Möglichkeit des Rückzugs
Sie können erwarten, dass Ihrem Bedürfnis nach Ungestörtheit und vertraulichen Gesprächen entsprochen wird. Die Möglichkeit, einige Zeit allein zu sein oder in Ruhe mit Personen Ihrer Wahl an einem geschützten Ort reden zu können, muss Ihnen auch dann eingeräumt werden, wenn Sie in einer stationären Einrichtung leben und nicht über ein Einzelzimmer verfügen. Dazu gehört unter anderem die Möglichkeit, ungestört telefonieren zu können. Sofern Sie ein vertrauliches Gespräch mit einer psychologisch oder seelsorgerlich ausgebildeten Person wünschen, können Sie erwarten, dass Ihnen dieses vermittelt wird.
Verwendung privater Gegenstände in stationären Einrichtungen
Auch in einer stationären Einrichtung sollen Sie sich so weit wie möglich zuhause fühlen können. Das bedeutet zum Beispiel, dass Sie Ihre privaten Sachen (Kleinmöbel, Bilder, Wäsche) verwenden können, auch wenn Sie sich den Wohnraum mit einer weiteren Person teilen. Diesbezügliche Vereinbarungen sind zumeist Gegenstand von Heimverträgen, wie zum Beispiel die Kosten für die Pflege privater Wäsche. Wenn Sie Wertgegenstände aufbewahren wollen, können Sie Rat und Unterstützung erwarten, um diese sicher zu verwahren.
Besuche empfangen
Privatheit bedeutet auch, dass für Sie jederzeit die Möglichkeit besteht, Besuch zu empfangen. Wenn Sie sich den Wohnraum mit einer weiteren Person teilen, muss Rücksicht auf deren Ruhebedürfnis genommen werden. Sofern nötig, können Sie Pflegepersonen bitten, Besucherinnen oder Besucher, die Sie nicht empfangen möchten, abzuweisen.
Achtsamer Umgang mit Schamgefühlen
Die Achtung vor der Intimsphäre findet Ihren Ausdruck zum Beispiel darin, dass Ihre persönlichen Schamgrenzen respektiert und beachtet werden. So können Sie erwarten, dass Ihnen pflegende und behandelnde Personen mit einem größtmöglichen Maß an Einfühlsamkeit und Diskretion begegnen. Das gilt im Besonderen für den Bereich der Körperhygiene. Wenn Ihnen die Pflege oder Behandlung durch eine bestimmte Person unangenehm ist, sollten Sie dies nicht hinnehmen, sondern Ihre Bedenken direkt oder gegenüber anderen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern zum Ausdruck bringen. Sie können erwarten, dass in solchen Fällen seitens der Institutionen alle organisatorischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, damit Ihnen Personen zugeteilt werden, durch die Sie sich angemessen behandelt fühlen.
Wahrung des Briefgeheimnisses
Ihre Briefe oder elektronischen Nachrichten dürfen nicht ohne Ihre Zustimmung von Dritten in Empfang genommen, geöffnet oder gelesen werden. Wenn Sie in einer stationären Einrichtung leben, kann z.B. ein eigenes Postfach bzw. ein Briefkasten ein hohes Maß an Diskretion darstellen, da Ihre Post nicht durch mehrere Hände gegeben wird. Sollten Sie selbst Ihre Post nicht entgegen nehmen, öffnen und die Kommunikationsmöglichkeiten ohne fremde Hilfe nutzen können, bestimmen Sie, welche Person Ihres Vertrauens Sie unterstützen soll. (Dies können Sie vorab in einer Vorsorgevollmacht regeln).
Schutz der persönlichen Daten
Das Recht auf Privatheit muss seinen Niederschlag auch in einem vertraulichen Umgang mit Ihren Daten und Dokumenten finden. So dürfen die Ihre Person betreffenden Unterlagen und Daten nur mit Ihrer Zustimmung bzw. der Ihrer Vertreter und auf der Grundlage gesetzlicher Bestimmungen verarbeitet werden.
Respektierung von Sexualität, geschlechtlicher Orientierung und Lebensweise
Grundsätzlich hat jeder Mensch – unabhängig vom Alter und unabhängig vom Ausmaß des Pflege- und Hilfebedarfs – das Recht auf Sexualität, auf Respektierung seiner geschlechtlichen Identität und seiner Lebensweise. Niemand darf Sie aufgrund Ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminieren. Über die Art und Weise intimer und sexueller Beziehungen und Aktivitäten entscheiden Sie selbst, soweit dadurch die Rechte anderer Personen nicht verletzt werden. Die Möglichkeiten, intime Beziehungen auszuleben, sind allerdings abhängig von den Bedingungen und der Ausrichtung der jeweiligen Einrichtung. So kann es ratsam sein, sich auch in dieser Hinsicht über die Einrichtung vor Abschluss eines Vertrages zu informieren.
Einschränkungen
Der Anspruch auf Privatheit und die Beachtung der Intimsphäre kann  je nach Ausmaß des Hilfe- und Pflegebedarfs nicht immer vollständig gewährleistet werden. Gleichwohl muss es Ziel aller an der Betreuung, Pflege und Behandlung Beteiligter sein, die Einschränkungen so gering wie möglich zu halten.


Das Projekt wird gefördert vom:

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)
www.bmfsfj.de

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